Mit Spulen in der Straße lassen sich Autos kabellos während der Fahrt aufladen. Das Nürnberger Unternehmen entwickelt die Produktionstechnik dafür.
In der EU dürfen ab 2035 nur noch Autos mit Elektroantrieb neu zugelassen werden. Viele E-Autos sind aber wegen zu geringer Reichweite und teils langwieriger Ladevorgänge für lange Strecken nur bedingt tauglich. Eine mögliche Lösung sind elektrifizierte Straßen, die E-Fahrzeuge induktiv während der Fahrt laden. Dazu werden in der Fahrbahn Spulen verlegt, die durch magnetische Wechselfelder Energie in das Auto übertragen. Eine ein Kilometer lange Teststrecke soll bis zum nächsten Jahr auf der A6 bei Sulzbach-Rosenberg entstehen. Sie ist Teil eines Projekts unter Leitung des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Daran beteiligt ist auch die Seamless Energy Technologies GmbH in Nürnberg.
„Wir entwickeln die Produktionstechnik dafür“, so Dr. Michael Weigelt, einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter. Für den Bau der elektrifizierten Straßen werden viele Primärspulen für die kontaktlose Energieübertragung benötigt. Seit 2019 forschten er, Maximilian Kneidl und Michael Masuch – allesamt Ingenieure – in der FAPS-Forschungsgruppe Elektromaschinenbau. Dabei ging es um Fertigungsprozesse für Spulenmodule: Diese werden in Betonfertigteile oder Asphalt integriert, um so elektrifizierte Straßen zu schaffen. Aufgrund des zunehmenden Interesses an der Technologie aus Industrie und Wirtschaft gründeten die Wissenschaftler im März 2022 ihr eigenes Unternehmen im Nürnberger Innovations- und Gründerzentrum „NKubator“.
Inzwischen beschäftigt die GmbH 14 Mitarbeiter, einen Teil davon als Werksstudenten. Aktuell baut sie eine eigene Fertigungslinie im Nürnberger Westen auf. Die Anlage soll bis zu 10 000 Ladespulen jährlich herstellen können. Langfristig plant das Unternehmen aber, als Dienstleister Kleinserien herzustellen und Unternehmen zu betreuen, die an dieser Technologie arbeiten. Die Serienfertigung kann dann beispielsweise über Lizenznehmer erfolgen. Die Vision ist, in sogenannten „Microfactories“ – kleinen Fabriken mit großen Produktionsmengen – direkt vor Ort die Ladespulen aufzubauen, sodass keine langen Transportwege anfallen.
„Wir entwickeln vor allem die Prozesstechnik zum Bau der Spulensegmente für Pilotprojekte und kommerzielle Projekte “, erklärt Maximilian Kneidl. Da die verschiedenen Straßenbeläge unterschiedliche Anforderungen haben, werden die Unternehmen immer wieder neue Projekte mit geändertem Design umsetzen müssen. „Eine Frage ist, was der Straßenbauer wo verbauen kann. Dafür die jeweiligen Fertigungsprozesse zu entwickeln, ist unser Part.“ In einigen europäischen Ländern sind in den nächsten drei Jahren bereits längere Strecken geplant, ab 2030 sollen sie auch in Deutschland gebaut werden. Bis dahin will Seamless Energy Technologies erste Prototypen dieser Microfactories entwickelt haben.
Potenzielle Kunden sind Ladenetzbetreiber oder Hersteller elektrifizierter Straßen weltweit. Die Vision des Unternehmens ist, dass künftig alle Fernstraßen mit Spulen ausgestattet werden. „Die Autos würden dann keine überdimensionierten Akkus mehr brauchen“, weiß Weigelt. Bisher gibt es allerdings nur Insellösungen. An der nötigen Infrastruktur will Seamless Energy Technologies mitarbeiten.